Konzept, Entwurf und Gestaltung eines Mahnmals für die zwischen 1944 und 1945 in St. Pölten Viehofen internierten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter standen im Mittelpunkt eines 2009 von der Abteilung für Kultur und Wissenschaft der Niederösterreichischen Landesregierung und der Stadt St. Pölten ausgeschriebenen Wettbewerbs. Die Ausschreibung lud dazu ein, drei in Zusammenhang mit dem damaligen Geschehen neuralgische Orte miteinander in Beziehung zu setzen: jenes Areal, auf dem sich das Lager der zur Zwangsarbeit eingeteilten Juden und Jüdinnen befand, das Lager, in dem die Ostarbeiter genannten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen der Glanzstoff-Fabrik untergebracht waren, sowie das Massengrab auf dem städtischen Friedhof St. Pölten. Bauliche Reste sind lediglich vom Lager der Ostarbeiter übrig geblieben. Der Grund, auf dem sie sich erhalten haben, ist mittlerweile in Privatbesitz übergegangen. Wo einst die Baracken der aus Ungarn stammenden Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen jüdischen Ursprungs standen, befindet sich heute ein See. Die Jury schlug zwei Projekte zur Realisierung vor, das hier vorliegende und jenes von Catrin Bolt. Das von mir entworfene Mahnmal ruft über den Zeitraum eines Jahres jene Geschehnisse in Erinnerung, deren Spuren im Viehofner See versenkt wurden. Indem ich 20.000 Postkarten per Hand beschrifte und an die Einwohner und Einwohnerinnen von St. Pölten versende, integriere ich vor Ort ansässige Menschen in meinen Gedankengang und mache sie zum Teil meiner Idee eines Mahnmals. Mein Projekt versteht sich als Angebot zur Auseinandersetzung. Auf jede Postkarte schreibe ich den gleichen Satz: Ich bin gesund, es geht mir gut. Dabei handelt es sich um jenen Standardsatz, den sämtliche Postsendungen der Insassen eines der Lager des Dritten Reichs - sofern es überhaupt erlaubt war zu schreiben - beinhalten mussten. In der Trivialität dieser Worte prallt die dreiste Verlogenheit kollektivierter Menschenverachtung auf die Ohnmacht individuellen Ausgeliefertseins. Diese Diskrepanz spiegelt sich an der Oberfläche des Sees, an dessen Ufern mittlerweile Badegäste dazu eingeladen werden, vergnügt ihre Freizeit zu verbringen. Die Ansichtsmotive der Postkarten zeigen jeweils einen der besprochenen Orte in seinem heutigen Erscheinungsbild: den Viehofner See, das ehemalige Arbeitslager der Glanzstoff-Fabrik sowie das Massengrab am Hauptfriedhof St. Pölten. Rückwärtig wird auf die Geschichte des Ortes und auf die zum Projekt gehörige Internetseite verwiesen. Die Postkarten gehen nicht gleichzeitig, sondern gestaffelt über den Zeitraum eines Jahres bei den Adressaten ein. Dabei achte ich darauf, dass die verschiedenen Wohn-, also Nachbarschaftsgebiete gemeinsam beschickt werden. Meine Handschrift sowie der Umstand, dass ich mich an persönliche Adressen wende, stellen einen Hinweis auf meine Bereitschaft dar, mit einzelnen Menschen in Kontakt zu treten. Mein Ziel ist es, dass einige Empfänger der Karten beginnen, über den geschriebenen Satz oder über den abgebildeten Ort und seine Geschichte ins Gespräch zu kommen. Um mein Vorhaben innerhalb eines Jahres zu vollenden, ist es notwendig, täglich 50 bis 60 Postkarten zu schreiben. Die Namen und die jeweiligen Konfessionen der Toten, die sich im Massengrab des Friedhofs St. Pölten befinden, sind amtlich bekannt. Meiner Meinung nach läge es an den Lokalpolitikern, für eine angemessene Information am Grab Sorge zu tragen. Es gehört nicht zum Aufgabengebiet des Künstlers, der Künstlerin, dies den Verantwortlichen abzunehmen. Tatiana LecomteWien, April 2010 |