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Das Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen und Juden in St. Pölten-Viehofen, Niederösterreich

Greta und Olga Balog werden mit ihrer Familie im Juli 1944 von Subotica (heute: Republik Serbien, Ungarisch: Szabadka) nach St.Pölten-Viehofen deportiert. Miki Granski, Sohn von Greta Balog, schreibt 2007 The Viehofen Forced-Labor Camp (1944-5), die Geschichte seiner Familie während des Zweiten Weltkriegs nieder. Er lebt in Haifa, Israel.

Olga Dothan (geborene Balog) ist elf Jahre alt als sie mit ihrer Familie in das Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen und Juden in St. Pölten-Viehofen ankommt. Das Lager befand sich auf dem Areal des heutigen Viehofner Sees. Im Dezember 2009 besuchte sie Catrin Bolt in Tel Aviv, Israel und führte mit ihr ein Interview.

Greta Balog, zum Zeitpunkt ihrer Deportation 16 Jahre alt, unterrichtet die Kinder des Viehofner Lagers. Als Anfang April 1945 ein Ende des Krieges und damit die Befreiung abzusehen ist, schreiben die Schülerinnen und Schüler ihrer geliebten Lehrerin Abschiedsbriefe. Die Lagerinsassen werden jedoch nach Mauthausen getrieben. Viele dieser Kinder überleben den Todesmarsch nicht. Briefbeispiele von Judith Könyvesi, Vera Mahler, Eva und Edi.

Auf dem Areal des Lagers für jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Ungarn befinden sich heute die Viehofner Seen.

"The first person to die in our hut was Izso Potasman and he died from a bleeding ulcer." Aus dem Bericht von Susan Fisher, als junge Frau in St. Pölten-Viehofen interniert.

In den ersten Apriltagen 1945, als die Rote Armee naht und das Lager in Viehofen von der SS nach Mauthausen "evakuiert" wird, entscheidet sich die Familie Balog zur Flucht. Im Keller des St. Pöltner Allgemeinen Krankenhauses findet sie ein Versteck, in dem sie Schwester Andrea heimlich eine Woche lang versorgt.

Nach St. Pölten-Viehofen werden vorwiegend Familien aus Ungarn deportiert. Malvine und Filip Hegyi sind über 80 Jahre alt, als sie mit ihrer Schwiegertochter Magda Seidner und ihren Enkeln Anna und György von Subotica (Ungarisch: Szabadka) in der Viehofner Au ankommen. Beide sterben dort.

Rozsi Wolf wird aus Szeged (Ungarn) nach Österreich deportiert. Von Juli bis Oktober 1944 muss sie in den Ammoniakwerken Merseburg in Moosbierbaum (NÖ) arbeiten, danach bei der Traisen-Regulierung in St. Pölten-Viehofen. Sie überlebt den Todesmarsch nach Mauthausen und wird dort befreit. Während ihrer Gefangenschaft führt sie ein Tagebuch, das aus Briefen an ihren zukünftigen Mann Laci besteht.

Am 1. April 1945 startet die 15th US Air Force ihre letzten und schwersten Luftangriffe auf St. Pölten. Einige Bomben fallen auch in der Viehofner Au, dabei kommt Armin Wolf ums Leben.

Auf der Suche nach der Grabstätte ihres Vaters Armin schildert 1997 die nun 77-jährige Rozsi Wolf in einem Brief an das Institut für jüdische Geschichte Österreichs in St. Pölten die Umstände seines Todes Anfang April 1945.

Clara Kraus ist hochschwanger, als sie im Juli 1944 mit ihrem zweijährigen Sohn Peter im Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen und Juden in Viehofen ankommt. Dem Geburtenbuch der Stadt St. Pölten ist zu entnehmen, dass Paul Kraus am 20. Oktober 1944 im Lager geboren ist.

1948 wandert Clara Kraus mit ihrem Mann, der 1945 von den amerikanischen Truppen in Mauthausen befreit wurde, und ihren zwei Kindern nach Australien aus. In dem 1986 von ihr publizierten Buch The Colours of War - Ten Uncertain Years, 1935-45 beschreibt sie ihr Leben in Subotica und Belgrad während des Zweiten Weltkrieges. Im Kapitel Fruitless Summer - hier mit ihrer freundlichen Genehmigung wiedergegeben - schildert sie ihre Ankunft und die ersten Monaten im Viehofner Lager.


Das Zwangsarbeitslager der Glanzstoff-Fabrik in St. Pölten

Im Alter von 16 Jahren wird Nina Sharikowa von Saporoshje (Ukraine) nach Österreich verschleppt. Ende 1942 kommt sie in das Lager für sogenannte Ostarbeiter. In einem Interview mit Catrin Bolt erzählt sie über die Zwangsarbeit in der Glanzstoff-Fabrik und den Alltag im Lager.

Als Zwangsarbeiter bzw. Zwangsarbeiterin wird man bei der Ankunft im Lager in St. Pölten angemeldet. So auch Proti Sigajev, der 22 Jahre alt ist, als er im August 1942 im Zwangsarbeitslager der Glanzstoff-Fabrik in der Viehofner Au ankommt. Aus seinem Meldeschein geht hervor, dass er aus der Ukraine stammt, mit Nina Kutscheruk verheiratet ist, und dass ihr Kind ("Knabe ohne Vorname"), das am 22. Jänner 1943 zur Welt kommt, am gleichen Tag stirbt. Proti Sigajev schafft es zwei Mal, aus dem sogenannten Glanzstoff-Lager zu flüchten.


Das Massengrab am Hauptfriedhof St. Pölten

Am Hauptfriedhof von St. Pölten befindet sich ein unbezeichnetes Massengrab aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Namen und die jeweiligen Konfessionen der Toten sind amtlich bekannt. Wer den Namen seines Verwandten aus der Liste entfernen lassen will, möge sich mittels der Kontaktadresse melden.


Weiterführende Literatur zum Thema
Manfred Wieninger, Wir leben eh nicht mehr lang - Das Lager St. Pölten-Viehofen in Zeitzeugenberichten, in: Eleonore Lappin, Susanne Uslu-Pauer, Manfred Wieninger, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Niederösterreich 1944/45, Studien und Forschungen aus dem niederösterreichischen Institut für Landeskunde Band 45, Willibald Rosner und Reinelde Motz-Linhart (Hg.), St. Pölten 2006, S. 174-208.
Ders., Die barmherzige Barmherzige Schwester, in: Zwischenwelt 24 /2007, Nr. 3.
Ders., Spurensuche in "Korea", in: Konkret Nr. 7/2005.
Ders., "Unbekannter Jude", "Unbekannte Frau Plünderer". Ein anonymes Massengrab des Dritten Reiches in St. Pölten, St. Pölten baut auf, landeshauptstadt.at
Ders., Die Briefe der toten Kinder, in: Falter Nr. 14/10.
Eleonore Lappin, Ungarische Jüdinnen und Juden in Niederösterreich 1944/45, in: Eleonore Lappin, Susanne Uslu-Pauer und Manfred Wieninger, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Niederösterreich 1944/45, Studien und Forschungen aus dem niederösterreichischen Institut für Landeskunde Band 45, Willibald Rosner und Reinelde Motz-Linhart (Hg.), St. Pölten 2006, S. 11-102.
Dies., Das Massaker von Hofamt Priel, in: Ebenda, S. 103-132.
Dies., Die Opfer von Hofamt Priel - Namen, Tagebücher und autobiographische Berichte, (Edition), in: Ebenda,
S. 133-173.
Dies., Die Todesmärsche ungarischer Juden durch Österreich im Frühjahr 1945, unv. Manuskript.
Dies., Die Deportationen ungarischer Juden nach Theresienstadt, in: Theresienstädter Gedenkbuch, Österreichische Jüdinnen und Juden in Theresienstadt 1942-1945, DÖW und Institut Theresienstädter Initiative (Hg.), Prag 2005,
S. 113-145.
Martha Keil, Christoph Lind, Spurensuche: Das jüdische St. Pölten, David, Jüdische Kulturzeitschrift.

Links
Institut für jüdische Geschichte Österreichs
Nachkriegsjustiz
erinnern.at
IHI Institut für Historische Intervention
Mauthausen Memorial
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Jelinetz
Endkämpfe 1945 - Der Südostwall

Sonstiges
Wettbewerbsausschreibung Mahnmal Viehofen, 2009
publicart Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich
Projekt von Catrin Bolt, ex aequo Gewinnerin des Wettbewerbs
Pressetext von Verena Gamper
Fotos als Download